Geschichte
Geschichte des Hafenlotswesens in Bremerhaven
Die Anfänge des Hafenlotswesens von Bremerhaven begründet sich auf zwei Hafengebiete: Das von Bremerhaven und das von Geestemünde. Sie sind eng mit der jeweiligen Fertigstellung und Erweiterung der Hafenbecken seit 1827 verbunden.
Die erste Hafenordnung vom 18. Oktober 1830 enthielt noch keine speziellen Vorschriften über das sich entwickelnde Hafenlotswesen. Bisher wurde das Lotswesen auf dem Geestefluß von den Geestemünder Weserlotsen wahrgenommen.
Die Fertigstellung der neuen Hafenbecken im Alten Hafen (752 m lang, 58 m breit, 5 m tief) mit einer Kammerschleuse (42 m lang, 26 m breit, 11 m Durchfahrtsbreite) im Spätsommer des Jahres 1830 führte letztendlich zur Einstellung von 2 Hafenlotsen. Sie unterstanden dem Hafenmeister und verrichteten den Lotsendienst im Vorhafen der Kammerschleuse und im Alten Hafen.
Bis zum Ende des Jahres 1830 liefen 18 Schiffe in den neuen Bremerhavener Hafen ein. In den kommenden Jahren stieg die Anzahl der Schiffe stetig an.
Im Jahre 1834 liefen von 2006 für Bremen bestimmte Schiffe 248 in Bremerhaven ein. Bremerhaven entwickelte sich zu einem aufblühenden Hafen und geschäftigen Ort.
Am 19. Juli 1847 wurde der regelmäßige transatlantische Passagier- und Postdienst zwischen New York und Europa eröffnet und Bremerhaven wurde Abfahrts- und Zielhafen der Passagierschiffahrt des Norddeutschen Lloyd. In diesem Jahr beauftragte der Bremer Senat den erfahrenen Baurat van Ronzelen, ein zweites Hafenbecken nördlich des Alten Hafens anzulegen. Umgehend wurde mit dem Bau des Neuen Hafens begonnen, da vor allem die Größe der Seeschiffe ständig zunahm und somit die Nachfrage nach größeren Hafenanlagen bestand. Nach nur fünf Jahren Bauzeit wurde im Sommer 1852 das neue Hafenbecken dem regelmäßigen Schiffsverkehr übergeben. Das Glanzstück dieses Hafens war die neue Schleuse, die mit 22 Meter Durchfahrtsbreite die damals größte auf dem europäischen Kontinent war. Der Neue Hafen wurde als ein großartiges und staunenerregenes Bauwerk deutscher Industriehöhe besucht und bewundert.
Zu dieser Zeit verrichteten fünf Hafenlotsen ihren Lotsendienst im Neuen und Alten Hafen. Im Passagierverkehr steuerten zu dieser Zeit 362 Schiffe Bremerhaven an und beförderten knapp 77000 Auswanderer in die neue Welt. Im Jahr 1854 wurde Bremerhaven zum größten Auswandererhafen Europas und an der Einfahrt zum Neuen Hafen entstand auf der Nordmole der neugotische Backsteinbau des 36 m hohen Leuchtturms, der seither als eines der Wahrzeichen Bremerhavens gilt.
Im Jahr 1857 entfielen etwa 65% des bremischen Schiffsverkehrs auf Bremerhaven. Mit dem Bau des Handelshafens in Geestemünde wurde begonnen und mit seiner Fertigstellung 1863 wurde ein Hafenlotse für dieses Hafengebiet eingeteilt. Das Hafenbecken selbst, der spätere Handelshafen war 550 Meter lang, 100 Meter breit und 7 Meter tief. Er konnte sich damals durchaus mit den Häfen Bremens und Hamburgs messen. Verbunden war dieses Hafenbecken mit der Geeste durch eine 90 Meter lange, 23 Meter breite und 12 Meter tiefe Schleusenkammer.
Mit dem 15. Juli 1863 wurde die Dienstanweisung für die Hafenlotsen zu Geestemünde erlassen. In einer Originalschrift des Syndicus der Handelskammer Bremen Dr. H.A.Schumacher von 1870 ist folgendes über die Lotsenverhältnisse auf der Unterweser zu lesen:
"Auf dem Wesergebiete unterhalb Bremens sind Lootsen von dreierlei Art thätig : Hafenlootsen, Flusslootsen und Seelootsen.
Hafenlootsen, d.h.Lootsen, welche nur im Hafenbassin oder zwischen Fluss und Hafen ihren regelmässigen Dienst verrichten, finden sich in Bremerhaven und in Geestemünde. Aus leicht erklärlichen Gründen sind sie nur für die grossen, eigene Bassins und Schleusen enthaltenden Hafenanlagen vorhanden, während in den übrigen Weserplätzen die anderen Lootsen zugleich Hafenlootsdienste verrichten. Sie sind die jüngsten unter allen Lootsen der Unterweser. Jene Bassins - das erste Bremerhavener ward im September 1830, das Geestemünder im Juli 1863 den Schiffen übergeben - machten bald ihres starken Verkehrs wegen eigenen Lootsendienst erforderlich."
Die Dienstinstruktion der Hafenlootsen vom 30. Oktober 1863 enthält den Tarif, sowie eigene Allgemeine Vorschriften, z.B. die, dass die Lootsen auf gemeinschaftliche Kosten eine zum Dienst passende Jolle zu unterhalten haben. "Es sind im Ganzen fünf Hafenlootsen für die Bassins am linken Geesteufer thätig, deren Durchschnittsverdienst sich auf 500 Taler pro Jahr beläuft."
Des Weiteren heißt es in der Dienstinstruktion von 1863: "Die Hafenlootsen sind Beamte der Hafenpolizei und daraus ergibt sich ihre Stellung. Ihres Dienstes muss sich jedes Schiff bedienen, dessen Ein- oder Auslaufen ohne sachkundige Führung bedenklich wäre; die Lootsen haben innerhalb ihres Kreises ein unbedingtes Monopol Dritten, allen nicht Angestellten gegenüber. Ihnen gegenüber ist also z.B. die Bestimmung der bremischen (See-) Lootseninstruktion, dass das 'Ausbringen der in Bremerhaven liegenden Schiffe' ausschliesslich den Bremerhavener und Geestendorfer Lootsen zustehe, trotz ihres Wortlautes ohne alle Bedeutung, das Ausbringen aus dem Bassin auf die Rhede und das Einbringen von der Rhede ins Basin steht jenen Seelootsen nicht zu, sondern blos den Hafenlootsen."
Soweit der Wortlaut der Originalschrift des Syndicus der Handelskammer Bremen vom Jahr 1870.
In dieser Zeitperiode entwickelten sich die Hafenanlagen von Geestemünde und Bremerhaven zum grössten Petroleumhafen Europas. Die Einfuhr von Petroleum stieg von 5000 Tonnen im Jahr 1865 auf 100000 Tonnen in den nächsten 25 Jahren an.
1866 waren bereits sechs Hafenlotsen für Bremerhaven und fünf Hafenlotsen für Geestemünde im Einsatz.
In den Jahren um 1870 kam es mehrmals vor, dass sowohl die Kaianlagen des Alten und des Neuen Hafens sowie auch die des Geestemünder Hafens belegt waren und Schiffe auf ihren Kaiplatz warten mussten. Somit rechtfertigte die weiter zunehmende Anzahl von Schiffen, dass von 1872 bis 1875 der heutige Kaiserhafen I erstellt wurde.
Die neue Schleuse zum Kaiserhafen I war mit einer Durchfahrtsbreite von nur 17 Metern um 5 Meter schmaler als die des Neuen Hafens, aber die Zeit der Raddampfer ging dem Ende zu und somit war eine größere Breite nicht unbedingt erforderlich.
Bremerhaven verfügte nun über 3 Hafenbecken mit 3 Schleusen, Geestemünde über 1 Hafenbecken mit einer Schleuse. Mit Hilfe dieser guten Infrastruktur entwickelten sich Bremerhaven und Geestemünde zu einer lebendigen Hafenstadt.
Im Jahre 1873 fanden 73 Prozent der in die Weser einlaufenden Schiffe einen Kaiplatz in Bremerhaven und fast 90 Prozent des Überseeschiffsverkehrs auf der Weser benutzten die neuen Hafenanlagen.
Die Häfen waren ständig überfüllt und die elf Hafenlotsen dieser Zeit hatten alle Hände voll zu tun. Bremerhaven und die heimische See- und Hafenwirtschaft profitierten durch den Erfolg und die Größe des Norddeutschen Lloyd mit seinen Schnelldampfern.
Im Jahr 1887 waren neun Schnelldampfer unter der Flagge des NDL, die Reederei gehörte zu den erfolgreichsten der Schifffahrtswelt.